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Hochwasserkatastrophe 22.-23.08.2005 im Allgäu

Hochwasser im Allgäu: Ursachen und Entwicklungen

Am Wochenende (20.-21.08.05) hatte sich eine sogenannte „5b-Wetterlage“ gebildet. Dabei traf im Alpen- und Voralpengebiet feucht-warme Mittelmeerluft (aus einem Genua-Tief im Süden) auf kältere Luftmassen aus dem Norden. Dies führte, wie in den Extremfällen vor Pfingsten 1999 und im August 2005, zu heftigen Regenfällen.

Regen und Gewitter im Allgäu: Das Wettergeschehen

Am Samstagabend und in der Nacht zum Sonntag gab es zwar im oberen Allgäu einzelne Gewitter mit 1 bis 7 mm Regen, in Oberstdorf sogar 17 mm pro Quadratmeter. Der Wasserstand der Iller bei Sonthofen reagierte jedoch kaum darauf, ähnlich wie zu Beginn des schweren Hochwassers zu Pfingsten 1999. Am Sonntag, dem 21. August, bildete sich das Tief „Norbert“ über Norditalien, und es fielen bereits 10 bis 20 mm, am Bodensee sogar 30 mm.

Intensiver Regen und die Auswirkungen auf den Illerpegel

Nach einer kurzen Pause am Montagmorgen setzten tagsüber mit stagnierender feuchtlabiler Mittelmeerluft kräftige Regenfälle ein. In den Abend- und Nachtstunden bis Dienstag fielen teilweise 10-20 mm pro Stunde, in den Allgäuer Alpen zwischen 21 und 22 Uhr sogar bis zu 30 mm pro Stunde – und das bis in die höchsten Gipfellagen hinauf!

Dramatischer Anstieg des Illerpegels und neue Rekordwasserstände

Diesen intensiven Platzregen konnte der gesättigte Boden nicht aufnehmen, und der starke oberflächliche Abfluss ließ den Pegelstand der Iller innerhalb kürzester Zeit rapide ansteigen: von 20 Uhr bis gegen 03 Uhr um mehr als 2 Meter. Am Dienstagmorgen um 03:45 Uhr erreichte der Illerpegel bei Sonthofen mit 433 cm seinen Höhepunkt.

Hochwasserspitze und Entspannung der Lage

Weil die Regenrate in den Allgäuer Alpen zum Glück nach Mitternacht wieder auf 10 bis 5 mm pro Stunde zurückging, sank auch der Wasserstand der Iller im Oberlauf.

Die Hochwasserwelle erreichte mit Verspätung und aufgrund weiterer kräftiger Regengüsse in den Voralpen (Grüntenstau) am Vormittag erst um 14:45 Uhr in Kempten ihren Höhepunkt, mit einem neuen Rekordwasserstand (642 cm) sowie dem höchsten Abfluss seit Beginn der Messungen! Am Dienstagnachmittag klangen die Regenfälle von Westen her ab.

Unterschiedliche Auswirkungen: Bodensee und die Bergtäler

Die Bodenseeregion blieb – im Gegensatz zum Hochwasser von 1999 – von Überschwemmungen verschont. Der Wasserstand stieg zwar kräftig an, lag jedoch jetzt im für die Jahreszeit normalen Bereich: Bodensee-Pegel!“

Rückblick und Ausblick: Naturgewalten und Regeneration

Ralf Hartmann: Und dann kam das Wasser, im Tal ca. 40-80 l/m² und in den Bergen bis zu 250 l/m². Der Wasserstand in der Breitachklamm war 3 m höher als der bisher höchste bekannte Stand. Was ungewöhnlich war, es ging alles rasend schnell. Vielleicht, weil es auch Nacht war, jedenfalls ohne Vorwarnung. Was ebenfalls ungewöhnlich war, es gab mehrere Wellen. Glaubte man, es bei der ersten Welle geschafft zu haben, so wurde man bei der zweiten Welle erwischt.

Fazit und Ausblick auf die Zukunft

Der Bodensee stieg innerhalb von 12 Stunden um 75 cm!

Die meisten Schäden konzentrierten sich in den Tälern. Generell kann man sagen, je weiter oben, desto weniger passierte.

Vorarlberg und Tirol wurden jedoch schwer getroffen. Wenn in einem Tal 2/3 der Straßen fehlen, dann ist das mehr als nur ein Unglück. Wir waren glücklich, keine so schweren Zerstörungen an der übergeordneten Infrastruktur erlitten zu haben wie unsere Nachbarn. Dennoch waren 3 Hochwasser innerhalb so kurzer Zeit (6 Jahre) ein gehöriges Ärgernis.

Trotzdem – die Landschaft regeneriert sich schnell, und man wird den betroffenen Regionen bald nicht mehr ansehen können, welche Schäden in den Siedlungen und der Landschaft entstanden sind. Fast alle Urlaubsaktivitäten sind inzwischen nur mit geringen Einschränkungen wieder möglich. Selbst das Aquaria in Oberstaufen hat seit dem 30.08.2005 wieder geöffnet, da der Wassermangel behoben werden konnte.

Steigbachtobel in Immenstadt – Hochwasser 2005

Fünf-b-Wetterlage

Die „Fünf-b-Wetterlage“ bezieht sich auf eine spezielle meteorologische Wetterlage, bei der ein Tiefdruckgebiet entlang der sogenannten „Vb-Zugbahn“ (nach van Bebber) verläuft. Diese Zugbahn erstreckt sich vom nördlichen Mittelmeer östlich der Alpen bis zum Baltikum. In dieser Wetterlage wird feucht-warme Mittelmeerluft nach Norden gelenkt und dann verwirbelt, was zu langanhaltenden Starkniederschlägen und gefährlichem Hochwasser in Teilen des östlichen Mitteleuropas führen kann.

Jetzt wissen wir, wie eine Katastrophe aussieht!

Jetzt wissen wir aber auch, was das Wort „Hilfe“ bedeutet!

Unser Ortsteil Weidach in Tiefenbach wurde vom Hochwasser am 22./23. August so schlimm erwischt wie noch nie. Innerhalb weniger Minuten wurde die Breitach zum reißenden, braunen Monster. Das Wasser strömte über die Straße, den Hof und in unseren Keller. Es stieg bis etwa einen halben Meter hoch im Erdgeschoss. Wir hatten kaum Zeit, die nötigsten Dinge in Sicherheit zu bringen. Meinen Nachbarn erging es nicht anders. Innerhalb weniger Stunden war das Meiste, was wir uns über viele, viele Jahre aufgebaut und angeschafft hatten, nass, weggeschwommen, verschlammt, verölt, unbrauchbar. Vielen hier ging es so.

Es wird nicht Tage oder Monate, es wird Jahre dauern, bis wir die immensen Schäden behoben haben. Die Erinnerung an die schaurige Hochwassernacht kann gar nicht mehr ausgelöscht werden. Ängste, schlechte Träume und Traurigkeit über so viele unwiederbringliche untergegangene Kleinigkeiten wie Strohsterne, die jedes Jahr am Christbaum hingen – unsere Tochter hat sie gebastelt, als sie noch ein kleines Kind war – Fotos aus früheren schönen Tagen oder Geschenke von alten Freunden.

Wenn wir uns umsehen, viele hat es genauso schlimm getroffen.

Bei all diesen Schrecken, der über uns hinweggeschwappt ist, gibt es aber auch Erlebnisse, die sich genauso in die Erinnerung einbrennen, wie die braunen grausamen Wassermassen: Die ersten Helfer, die bis zu uns durchgekommen sind und ohne viel Fragen einfach zugepackt haben. Es ist schwer zu beschreiben, welche Sicherheit es in der Verzweiflung mitten im Hochwasser gibt, wenn die eigene Feuerwehr plötzlich da ist und weiß, was zu tun ist. Feunde stehen auf einmal da und helfen. Nachbarn greifen zu. Junge Männer in Uniform standen uns bei. Der Blick in die hochwassergeschädigte Nachbarschaft wird ein wenig leichter, wenn man überall Menschen, Fremde, Freunde, Bekannte, Uniformierte und Nichtuniformierte sieht, wo vorher nur grausames Wasser war. Den Schaden hat jeder von uns – aber er lässt sich leichter ertragen, wenn man sieht, wie viel Hilfe plötzlich da ist. Ob nun von Funktionsträgern oder Freiwilligen.

Wir werden es schaffen. Wir werden uns nicht unterkriegen lassen! Auch im Namen vieler anderer Geschädigter in unserer Umgebung möchten wir erst einmal von Herzen „Danke!“ sagen. Eure Hilfe hat uns wieder Mut gemacht. In einer solchen Situation nicht allein zu sein, ist ganz ganz wichtig.

Familie Rausch

Fotostrecke Hochwasser 2005 Allgäu