Advents-, Weihnachts-, und Neujahrsbräuche im Kleinwalsertal
Gerade der Adventmonat, die Zeit vom Nikolaustag bis Dreikönig, war besonders geprägt. Erinnern wir uns auf die Sitten um Weihnachten und Neujahr, die vor etwa 80 bis 100 Jahren noch allgemein üblich waren. Oder sind einige davon in manchen Walserfamilien vielleicht auch heute noch üblich?
In Chronistenberichten vor über 50 Jahren lesen wir folgendes.
Die vier Adventwochen brachten eine besinnliche und hoffnungsfrohe Stimmung ins Walserhaus. Man enthielt sich der lärmenden Lustbarkeit, selbst die Jugend mochte das Tanzbein nicht schwingen, aber ein Vergleich zum Ernst der Fastenzeit oder zur Trauer der Seelenwoche war es doch nicht. Advent, die Vorbereitungszeit auf den Erlöser, erinnert uns mit den alten kirchlichen Gesänge wie „Tauet Himmel den Gerechten“ an die Jahrtausende vor Christus, als sich die Menschen nach dem Messias sehnten. In den Kirchen unseres Tales feierte man früher in der Adventzeit die Roratemessen. Die Gläubigen kamen mit ihren Sturmlaternen bereits vor Anbruch des Tages durch den tiefen Schnee zur Kirche, um diesem Gottesdienst beizuwohnen.
In jüngster Zeit werden diese Rorate erfreulicherweise wieder gehalten. Daneben hat sich ein neuer, erfreulicher Brauch entwickelt, das Advent- und Weihnachtssingen. Gruppen des Tales bieten mit Saiten- und Blasmusik, in Lied und Wort wirklich erbauliche Stunden.
Aber auch daheim wurde der Advent besinnlich gehalten. Bei der am Abend im Herrgottswinkel brennenden Adventkerze betete die Familie und der abwesenden Angehörigen wurde besonders gedacht. Einen ungewöhnlichen Gebetseifer entwickelten dabei die Schulkinder und sie registrierten mit Einschnitten in ihrem „Krippenhölzchen“ jeden gebeteten Rosenkranz. Der hölzerne Ausweis galt ja dann als Bekräftigung des Wunschzettels an das Christkind. Jugendliche, Bekannte und Nachbarn trafen sich gelegentlich beim Kartenspiel, das sogenannte „Chrischtchendle- Uusschpiila“. Die Verlierer mussten am Stephanstag den Gewinnern ein wohlverpacktes Geschenk ausliefern und es enthielt meist eine mit trefflichem Witz gewählte Sache.
Die Tage vor dem Christfest erfüllten das Haus dann mit dem Wohlgeruch der „Laible“ und „Biaraziabl“ und weckten bei groß und klein die vorweihnachtliche Stimmung.
6. Dezember – Nikolaustag im Kleinwalsertag
Der Brauch des Nikolaustages entstand in Nordfrankreich schon im Mittelalter, bei uns im Kleinwalsertal wird der „Chlaasataag“ aber auch schon seit vielen Jahren gehalten. Es war aber stets eine Feier in der Familie. Der Heilige Nikolaus war Bischof von Myra in Kleinasien und zeichnete sich durch sein Wohltun aus. Er soll der Legende nach drei schönen Töchtern eines verarmten Edelmannes geholfen haben. Der Vater wollte sie zwingen ihre Unschuld zu opfern, um eine standesgemäße Ausstattung zu verdienen. Der hl. Nikolaus erfuhr davon, warf durch drei Nächte jedes mal einen Beutel voll Dukaten durch das Fenster des Edelmannes und dieser hatte dann soviel Geld, um die Jungfrauen ausstatten zu können. Aufgrund dieser Legende wurde der Nikolaustag ein Kinderfest mit Bescherung und der Heilige wurde zum Schutzpatron der Kinder und Schüler. In Vorarlberg ist St. Niklaus auch sehr verehrt und alleine 12 Pfarrkirchen haben ihn als Kirchenpatron. Bei den Walsern ist er der Beschützer vor Lawinenunglücken, außerdem ist er auch der Patron der Pilger, Reisenden, Bäcker, Kaufleute, Schiffer und der heiratsfähigen Mädchen für eine glückliche Heirat.
Die Nikolausfeier in der Walserfamilie war recht schlicht und sinnvoll. Der Vorbote des Christkindes kam stets würdevoll und gütig und sprach von den Aufgaben der Kinder in der heiligen Adventzeit. Er schaute zurück auf das vergangene Jahr und lobte die Kinder wenn sie brav und fleißig waren und sie bekamen dann aus dem großen Gabensack ein kleines Geschenk. Nikolaus tadelte aber auch wenn nicht alles so recht war und „schenkte“ sinngemäß eine Rute. Unterstützend, aber ohne zu übertreiben, war auch Knecht Rupprecht dabei. Ursprünglich stellte dieser „Krampus“ ja die Verkörperung des vom Nikolaus gebändigten Teufels dar, aber seit nun mehr als achtzig Jahren wird durch dieses oft unüberlegte und sinnlose Treiben der wilden Gestalten dem alten Nikolausbrauch mehr geschadet als genutzt. Das Treiben der „Wilden Klausen“ ist ein vorchristlicher Brauch, der sich im Oberallgäu erhalten hat und nun eben auch bei uns nachgeahmt wird. Die neueste Errungenschaft ist nun auch noch das im Allgäu übliche „Bärbeleklausen“, es wird von den jungen Mädchen durchgeführt, ist aber auch im Allgäu kein Brauchtum.
Egal ob „Krampus oder Klausabärbl“, es hat sich speziell im Allgäu verbreitet und wird dort „getrieben“, ist teilweise aber immer noch nicht als Brauchtum anerkannt.
Auch bei uns im Kleinwalsertal sind das Auftreten von Krampus und die Klausabärbel eigentlich „fremd“ und gehören auch nicht zum Brauchtum, es wird aber immer mehr anerkannt.
Rauhnächte
Noch vor 60 Jahren galt der eingesessenen Walserbevölkerung die Zeit der zwölf „Ruunächt“ von Weihnachten bis Dreikönig. Ehrfurchtsvoll und getreulich hegte und pflegte sie die altherkömmlichen Sitten und Gebräuche dieser Zeitspanne.
In diesen 12 Tagen und Nächten wurden genaueste Aufzeichnungen über Wetter, Klima und auch Pflanzen gemacht, die eine Wettervorhersage für das kommende Jahr gestatteten.
„Heiligabend“
Der Heiligabend wurde im engsten Familienkreis gefeiert, niemand durfte fehlen und jeglicher fremde Besucher war zu dieser Weihestunde unerwünscht.
Der Einkauf und das „Hereinschmuggeln“ der Gaben für Groß und Klein war immer die Aufgabe der Hausmutter und sie nahm auch bei verschlossenen Türen die Schmückung des Gabentisches vor.
Wie lange es bei uns im Kleinwalsertal den Christbaum gibt weiß man nicht genau, aber die vermutliche Zeit ist etwa um 1900.
Zu den vorwiegenden Weihnachtsgeschenken zählten wertvolle Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände, aber auch Rauchwaren und Schleckereien. Für die Kinder gab es Spielsachen, meist aus Holz und selbst angefertigt.
Der Hausvater rief etwa um 9 Uhr zur vorbereiteten Christbescherung alle Familienangehörigen und Dienstboten herein. Sie bedeutete die schönste Feierstunde des Jahres, in der man nicht nur Gaben entgegennahm, sondern auch einander verzeihte. Für jene Angehörige, die fern der Heimat lebten oder gar im vergangenen Jahr verstarben, wurden eigene Kerzen angezündet, um sie so an der Familienfeier symbolisch mithalten zu lassen.
Ein leckeres Mahl vom Besten aus Küche und Keller beschloss die Familienfeier, dann stapfte so ziemlich alles zum Engelamt, das nachts um 12 Uhr mit dem Turmblasen den Beginn verkündete.
Ein Familienmitglied, meist der Hausvater, blieb als Nachtwächter daheim und er hatte ja auch eine wichtige Arbeit zu erledigen. Pünktlich zum „Glorialäuten“ gab er dem Vieh die am Heiligen Abend vor die Stalltüre gelegten Heubüschel, damit es das ganze Jahr über vor Rauschbrand und anderem Unglück verschont bleiben möge.
„Heiligtag“
Am Heiligtag selbst war unter zahlreichen Bekannten und Freunden ein fröhlicher Austausch kleiner „Chrischtchendle“ mit manchmal recht ulkigen Inhalten üblich.
Alleinstehende versuchten manchmal mit Kartenspielen ein Christchendle zu gewinnen.
Stephanstag
Alt und Jung freuten sich in den gar ruhigen Adventwochen auf Weihnachten im häuslichen Kreise und nicht weniger auf das fröhliche Brauchtum am Stefanstag.
Der Stefanstag war ein sogenannter Lostag für die ledigen Leute und die jungen Leute beanspruchten ihn als ihren Festtag. Es war auch derjenige große Tag, von welchem Zeitpunkt an man nach wochenlanger Enthaltsamkeit wieder lustig sein durfte.
Die Burschen durften wieder ihre dörfliche „Fänschterlesronda“ unternehmen, wobei ihnen so manches Stamperl selbstgebrauter „Maikaschnaps“ verabreicht wurde. Längst erwogene Liebesverbindungen wurden mit einem offiziellen Besuch erst am Stephanstag der Öffentlichkeit bekannt und so manches Heiratsgelöbnis kam zustande.
Die Verheirateten fanden am Abend des Stefanstages an den früher üblichen und meist von einem Verein veranstalteten Christbaumverlosungen eine gemütliche Unterhaltung.
Letzter Sonntag im Jahr
Den tiefgründigen Ernst des Lebens erfasste den Walser nochmals am letzten Sonntag des Jahres. In Dankbarkeit nahm er am Bittgottesdienst teil und seine Gebete waren besonders darauf gerichtet, dass im kommenden Jahr kein Kind ohne Taufe und kein Erwachsener ohne die Sterbesakramente sterben möge.
„Nüjahr- Schprenga“ im Kleinwalsertal und Sinn der Neujahrsbräuche
Die Heilige Nacht und die Weihnachtszeit hat uns mit dem guten Willen beseelt, Unfriede und Streit beiseite zu legen und die Jahreswende ist genau der günstigste Zeitpunkt dazu. Gerade da sollte man dem Mitmenschen mit aufrichtigen Wünschen wieder mehr Zutrauen und künftiges Wohlergehen schenken, es gehört einfach zu einer großen Familie – zu funktionierenden Gemeinschaft.
Der beste Beweis, dass die gesamte Dorfgemeinschaft eine einzige Familie ist, sind aber demzufolge doch unsere Kinder und Schüler. Für viele ist Silvester auch heute noch ein wichtiger Tag, denn an diesem Tag ist das „Nüjahr- Schprenga“ angesagt.
Die Kinder ziehen von Haus zu Haus und wünschen uns „as guats nüüs Jahr alla midnand“, sie meinen es aber wirklich ehrlich und kennen da keinen Unterschied zwischen Armen und Reichen.
In früheren Jahren war dies für die Schulkinder aber ein anstrengender Tag, denn es wurden wirklich weite Wege zurückgelegt. Wir beschreiben hier einmal den Silvester-Tagesablauf eines Schülers aus Riezlern. Um 7.00 Uhr ging es zur Messe, danach auf folgende Strecke. Von der Kirche auswärts, vom obersten bis zum untersten Haus, Unterwestegg, Schloß, Schwand, Wald, über Fuchsloch, Schmalzloch, Klausenwald, Schwende, Innerschwende, Egg, Seite, Zwerwald und dann wieder zurück bis zur Kirche. In den meisten Häusern bekam man 10 Pfennig, bei Verwandten aber auch schon mal 1 Mark. Als man dann müde nach Hause kam, war es meist schon dunkel. Aber es hatte sich gelohnt, denn der „Taglohn“ (um das Jahr 1950) war doch ungefähr 20,- Mark und zum Vergleich, ein Fahrrad kostete damals knapp 100,- Mark.
Der Brauch des Neujahr-Springens ist bei uns im Kleinwalsertal schon weit über 200 Jahre alt und wird Gott sei Dank auch heutzutage noch gehalten. Fällt Silvester auf einen Sonntag, so ziehen die Schulkinder bereits am Samstag davor von Haus zu Haus. Diese „Ruhestörung“ darf aber auf keinen Fall als Betteln gedeutet werden und es „ghöörd sche eifach“, dass die Hausinsassen zur Haustüre kommen und die Kinder mit einem kleineren oder auch größeren Geldgeschenk belohnen. Man muss die fröhlichen Kinderaugen persönlich sehen um den Neujahrsbrauch zu verstehen und sogar viele Wintergäste nehmen diese herzlichen Glückwünsche gerne an.
Der verschmähte Zettel an der Haustüre „Neujahrsgeld in der Schule“ sollte eigentlich nicht vorkommen, das bisschen Zeit sollten wir noch haben. Nur aus diesem leiten wir auch die manchmal nicht ganz frommen Wünsche wie „i wönsch na as guats nüüs Jahr allamidnand – es giid so nüüd, es ischt a Schand“, oder gar „… – dr Daifl hocked ob dr Wand“ ab.
Freuen wir uns also jährlich auf das traditionelle Neujahrspringen unser Kinder und Schüler.
Neujahrstag
Der besinnliche Walser verbrachte die Silvesternacht nicht im Gasthaus, sondern daheim bei seiner Familie. Das „Neujahren“ war schon früher immer ein Gebot, sich speziell in der Gastfreundschaft nicht kleinlich zu verhalten. An diesem Tag war das große gegenseitige „Neujahrwünschen“ der Erwachsenen nach der Messe auf dem Kirchplatz, die Neffen, Nichten und Patenkinder wurden aber traditionell am darauffolgenden Sonntag bewirtet. Neben der „fälligen“
Beschenkung durfte aber eben die traditionelle Bewirtung – „Chriasesuppa ond uusgwalchede Chüachle“ nicht fehlen.
Über den finanziellen Wert gibt es einen alten Spruch Martini ist für den Schuldner und Neujahr für Gevatterleut eine böse Woche
Erfreulicherweise ist das auch heute noch in vielen Familien üblich und es kommt sogar vor, dass der 50jährige Firmling schiis Gottele ond Götte noch persönlich
besucht und die besten Wünsche überbringt- und auch noch sein Nüjahrsgeld bekommt.
Neujahr – 1. Januar
Beschneidung Christi
Dreikönig
Mit dem Dreikönigsfest schloss die Weihnachtszeit und der Fasching begann.
Die Naturkundigen orakelten an Hand der in den zwölf Rauhnächten ausgelegten Körner das künftige Wetter für die einzelnen Monate des kommenden Jahres.
Der Bauer erneuerte sein Holzkübelchen mit dem frischgeweihten Dreikönigssalz und schrieb mit geweihter Kreide über der Stubentür die Zeichen K + M + B (Kaspar, Melchior, Baltasar). Richtig hieße es ja Christus mansionem benedicat, welches heißt: Christus segne dieses Haus und alle die darin wohnen.
Es gab und gibt aber auch heute noch andere Deutungen von C+M+B, so z.B.: „Käs, Milch, Butter“, oder „Kathi mag Buaba“ usw.
Quelle: Gemeindeamt Kleinwalsertal